Paperback, 12 pages
German language
Published Dec. 6, 2021
Vor 35 Jahren, am 12. März 1986, besetzte die Polizei das Heusnerviertel in Bochum für mehrere Tage. In dieser Zeit wurden mehrere Häuser und die besetzte Pestalozzischule abgerissen. Heiko Koch hat eine Dokumentation der Ereignisse veröffentlicht. Das Vorwort fasst die Ereignisse zusammen: »Das Heusnerviertel war ein Teilbereich des Stadtteils Bochum-Weitmar und fiel in den 80er Jahren einer Schnellstraße, der Westtangente, zum Opfer. Bevor aber die Stadt Bochum ihr Bauvorhaben brachial durchsetzte, kam es hier zu einer der größten Ansammlung von Hausbesetzungen der 80er Jahre in der alten Bundesrepublik. Sukzessive waren seit 1981 in diesen zum Abbruch vorgesehenen Straßenzügen bis zu 20 Häuser zum Teil oder ganz besetzt worden.
Im Jahr 1986 lebten im Heusnerviertel neben weiteren Anwohner*innen rund 150 BesetzerInnen und über die Jahre hinweg dürften es einige Hundert BesetzerInnen gewesen sein. Die Anzahl der dort verkehrenden FreundInnen und Bekannten, BesucherInnen der Kulturveranstaltungen und Demonstrationen dürfte ein paar tausend Personen …
Vor 35 Jahren, am 12. März 1986, besetzte die Polizei das Heusnerviertel in Bochum für mehrere Tage. In dieser Zeit wurden mehrere Häuser und die besetzte Pestalozzischule abgerissen. Heiko Koch hat eine Dokumentation der Ereignisse veröffentlicht. Das Vorwort fasst die Ereignisse zusammen: »Das Heusnerviertel war ein Teilbereich des Stadtteils Bochum-Weitmar und fiel in den 80er Jahren einer Schnellstraße, der Westtangente, zum Opfer. Bevor aber die Stadt Bochum ihr Bauvorhaben brachial durchsetzte, kam es hier zu einer der größten Ansammlung von Hausbesetzungen der 80er Jahre in der alten Bundesrepublik. Sukzessive waren seit 1981 in diesen zum Abbruch vorgesehenen Straßenzügen bis zu 20 Häuser zum Teil oder ganz besetzt worden.
Im Jahr 1986 lebten im Heusnerviertel neben weiteren Anwohner*innen rund 150 BesetzerInnen und über die Jahre hinweg dürften es einige Hundert BesetzerInnen gewesen sein. Die Anzahl der dort verkehrenden FreundInnen und Bekannten, BesucherInnen der Kulturveranstaltungen und Demonstrationen dürfte ein paar tausend Personen betragen haben. Ihre besetzte Zone tauften die BesetzerInnen Heusnerviertel, nach der größten Straße des besetzten Areals. Aber auch liebevoll-selbstironisch wurde das Viertel von seinen Bewohner*innen Bronx genannt.
Im Zuge seiner Entwicklung verwandelte sich der Stadtteil von einer studentisch-alternativen in eine eher subkulturell-autonomen Enklave. Eine Enklave, die vielen ihrer Bewohner*innen Möglichkeiten und Freiheiten bot, die sie andernorts nicht hatten. Die Hochzeit des Heusnerviertels als stark selbstverwalteter Bereich bestand von Anfang 1985 bis Anfang 1986, als sich über viele Prozesse eigene Infrastrukturen herausbildeten, festigten und ein starkes Gemeinschaftsgefühl entstand.
Das Heusnerviertel zählte mit der Kiefernstraße in Düsseldorf und der Hafenstraße in Hamburg zu den großen besetzten Projekten in der alten Bundesrepublik, um die Mitte/Ende der 80er Jahre zwischen autonomer und alternativer Szene einerseits und Verwaltung und Polizei andererseits massiv gestritten wurde. Aber das Heusnerviertel war weit mehr als eine Großraumbesetzung. Es war eine Fortführung der `81er Revolte, Laboratorium alternativer Lebensformen und Verdichtung der antagonistischen Widersprüche der gesellschaftlichen Gesamtentwicklung. Nicht umsonst deklarierten sich seine Bewohner*innen im Februar 1984 auf einer Stadtratssitzung zu einem „staatsfreien, selbstverwalteten Gebiet“ und bestätigten dies mit einschlägigen Eingangsschildern zu ihrem Viertel.
Okkupation, Räumung und Abrisse im März 1986
Im Zuge der Zerschlagung des Heusnerviertels kam es immer wieder zu polizeilichen Großeinsätzen. So auch im März 1986.
Am 12. März 1986 fand die erste mehrtägige Besetzung des Heusnerviertels mit einigen Hundertschaften der Polizei statt. Die Polizei trat wie eine militärische Besatzungsmacht auf, räumte die Bewohner*innen aus ihren Häusern, inhaftierte oder vertrieb sie und sorgte dafür, dass die Stadt Bochum für ihr illegitimes Bauvorhaben der Westtangente die Abrisse zahlreicher Häuser umsetzen konnte. Die Abrissmaßnahmen von drei Häusern und einer Schule dauerten drei Tage an. Nachts wurden die Baustellen und das Viertel mit Flutscheinwerfern ausgeleuchtet, die Polizei war auf dem anliegenden Sportplatz stationiert, mit einer Feldküche ausgestattet und mit diversen Repressalien schnell bei der Hand. Die Viertelbewohner*innen bezeichneten diese Tage, in Anlehnung an das Auftreten der britischen Besatzungsmacht in Nord-Irland, u.a. als ihre „Belfast days“.
Zwei Jahre später, am 24. August 1988, kassierte das Oberverwaltungsgericht in Münster den zugrundeliegenden Bebauungsplan 234 für die Westtangente und erklärte ihn für null und nichtig. Am 31. Mai 1984 hatten drei Bewohner*innen des Heusnerviertels Klage gegen die Stadt Bochum wegen der Feststellung der Ungültigkeit dieses Bebauungsplans eingelegt. Trotz der seit 1984 anhängigen Klage gegen den Bebauungsplan hatte die Stadt in den Jahren 1984 bis 1986 in einer Salamitaktik fast zwanzig Häuser mit mehr als 120 Wohnungen im Heusnerviertel dem Erdboden gleichgemacht. Dabei schlug die Stadt Bochum den Antrag der Grünen im Stadtparlament auf einen generellen Baustopp bis zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Münster genau so nieder, wie sie eine das Viertel umgehende alternative Trassenplanung der Liberalen Demokraten überging. Ganz abgesehen von den zahlreichen und vielfältigen Protesten und Widerstandsaktionen der Viertelbewohner*innen. Die Stadt Bochum handelte nach dem Motto „legal, illegal, scheißegal“, verstieß – wie mehrfach gerichtlich festgestellt – gegen Recht und Gesetz und setzte auf brachiale Polizeigewalt. So auch am 12. März 1986.
Ein Bericht über die Ereignisse in diesen Tagen mit Fotografien von Hauke, Ingrid, Unbekannt & Heiko.
(Quelle: bo-alternativ.de)