Zeitung, 16 pages
deutsch language
Published by contraste, Verein zur Förderung von Selbstverwaltung und Ökologie e.V..
Zeitung für Selbstorganisation CONTRASTE, #458
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Die Bauernrevolution von 1525 jährt sich in diesem Jahr zum 500. Mal. Es war der größte Aufstand gegen die Einhegung der Allmenden in der europäischen Geschichte. Die Niederschlagung wurde seinerzeit finanziert vom bislang reichsten Menschen der Weltgeschichte, Jakob Fugger. Was lässt sich heute noch aus dem Streben nach Freiheit und Gemeinheit, der Verbundenheit mit dem Land und dem Scheitern der Bauernschaft lernen?
Bündnis »500 Jahre Widerstand – für das Leben, für das Land«
Um den größten Massenaufstand auf europäischem Gebiet zu würdigen, ist eine Kampagne entstanden: »500 Jahre Widerstand – für das Leben, für das Land«. Diese Kampagne will das 500-jährige Gedenken an den Bauernkrieg nutzen, um mit verschiedenen Mitteln neu auszuloten, was das Bäuerliche, was bäuerliche Kämpfe – auch im globalen Kontext – heute für eine linke Bewegung bedeuten können und sollen.
Die Bauernaufstände ereigneten sich in der Epoche, als das (Handels-)Kapital begann, eine weltpolitisch maßgebliche …
Die Bauernrevolution von 1525 jährt sich in diesem Jahr zum 500. Mal. Es war der größte Aufstand gegen die Einhegung der Allmenden in der europäischen Geschichte. Die Niederschlagung wurde seinerzeit finanziert vom bislang reichsten Menschen der Weltgeschichte, Jakob Fugger. Was lässt sich heute noch aus dem Streben nach Freiheit und Gemeinheit, der Verbundenheit mit dem Land und dem Scheitern der Bauernschaft lernen?
Bündnis »500 Jahre Widerstand – für das Leben, für das Land«
Um den größten Massenaufstand auf europäischem Gebiet zu würdigen, ist eine Kampagne entstanden: »500 Jahre Widerstand – für das Leben, für das Land«. Diese Kampagne will das 500-jährige Gedenken an den Bauernkrieg nutzen, um mit verschiedenen Mitteln neu auszuloten, was das Bäuerliche, was bäuerliche Kämpfe – auch im globalen Kontext – heute für eine linke Bewegung bedeuten können und sollen.
Die Bauernaufstände ereigneten sich in der Epoche, als das (Handels-)Kapital begann, eine weltpolitisch maßgebliche Rolle zu spielen – und das war sicherlich kein Zufall. Es war die Epoche, in der kapitalistische Gesellschaften entstanden, der Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Zu dieser Zeit entstand das kapitalistische Weltsystem, wie der Soziologe Immanuel Wallerstein es nannte, oder die kapitalistische Weltökologie, wie der Soziologe und Historiker Jason W. Moore es nennt. Letzterer zeichnet nach, wie nicht nur Gesellschaften zerrissen und vernichtet wurden, sondern, damit zusammenhängend und verwoben, auch weltweit die Ökologien umstrukturiert wurden, um sie ausbeutbar zu machen.
Als Reaktion auf diese autoritären Umstrukturierungen kam es zum größten bewaffneten Aufstand auf europäischem Boden. Die Beendigung des Bauernaufstands wird, zumindest im Hinblick auf das deutsche Gebiet, als eine entscheidende Schlacht auf dem Weg zu den Logiken der Marktwirtschaft und weg von den Commons angesehen. Aber auch auf der anderen Seite des Atlantiks kam es zu Widerständen gegen die Eroberungen durch die Spanier und Portugiesen und die Aufhebung der landwirtschaftlichen Milpa-Systeme der Maya, die ähnlich wie Allmenden organisiert waren. Dies wird im Artikel auf Seite 9 beschrieben. Die kapitalistischen Umstrukturierungen, die im 16. Jahrhundert Fahrt aufnahmen, vertieften auch das Patriarchat ungemein, wie im Artikel »Die Entwertung der Frau« nachzulesen ist (Seite 11). Im 20. Jahrhundert eskalierte die kapitalistische Weltökologie und die Aufhebung kollektiver Wirtschaftsformen und einer »moralischen Ökonomie« wurde in den Dörfern massiv vorangetrieben, wie im Artikel »Kahlschlag auf dem Land« (Seite 12) ausgeführt wird.
Vor 500 Jahren waren nicht nur Bauersleute im Widerstand; allerdings lebten damals 95 Prozent der Bevölkerung bäuerlich. Dennoch war es ein Aufstand, der auch aus dem Bürgertum unterstützt wurde und dessen ideologische Untermauerung von urchristlichen, reformatorischen Prediger*innen gestellt wurde. Selbst der niedere Adel, der alte Ritterstand, welcher im anbrechenden Absolutismus verarmte, unterstützte den Aufstand teilweise. Was diesen Aufstand also auch ausmachte, war, dass er die Unzufriedenheit verschiedener Gesellschaftsschichten vereinen konnte und eine gemeinsame, wenn auch sehr vage Vorstellung davon kreieren konnte, wie etwas Besseres aussehen könnte. Von dieser Fähigkeit können wir heute, in Zeiten der gesellschaftlichen Spaltung, viel lernen.
Link: 500jahre.org
Titelbild: Fassade der Kramerzunft am Weinmarkt in Memmingen: In diesem Haus versammelten sich im März 1525 die aufständischen Bauern, um ihre Forderungen in den berühmten »Zwölf Artikel« festzulegen. Foto: Roland.h.bueb/Wikipedia (CC BY 3.0)