anka.trini reviewed Judasfrauen by Helga Schubert
Keine Empfehlung
2 stars
Ich war relativ lange unschlüssig, ob das Buch 3 Sterne von mir bekommen sollte, aber schlussendlich fand ich zu viel problematisch daran, sodass es nur 2 Sterne geworden sind. Außerdem hatte ich auch sehr hohe Erwartungen an das Buch, sodass gemessen daran eine höhere Bewertung sich nicht richtig angefühlt hat.
In ihrem Vorwort zur Neuauflage erzählt Helga Schubert, was ihre Intention beim Schreiben von "Judasfrauen" war. Sie wollte Ende der 80er, noch vor dem Fall der Mauer, den SEDlern und Inoffiziellen Mitarbeiterinnen aufzeigen, dass es auch ein Leben nach der Diktatur geben wird und die Täterinnen irgendwann Rechenschaft ablegen müssen. Es war damals noch nicht absehbar, dass die Mauer Ende 1989 fallen und es 1990 dann zur Wiedervereinigung kommen würde.
Helga Schubert musste mehrere Anträge stellen, um überhaupt Zugang zum Archiv mit den Gerichtsakten über die Prozesse der "Judasfrauen" zu bekommen. Als sie sich dann dort nach einigen …
Ich war relativ lange unschlüssig, ob das Buch 3 Sterne von mir bekommen sollte, aber schlussendlich fand ich zu viel problematisch daran, sodass es nur 2 Sterne geworden sind. Außerdem hatte ich auch sehr hohe Erwartungen an das Buch, sodass gemessen daran eine höhere Bewertung sich nicht richtig angefühlt hat.
In ihrem Vorwort zur Neuauflage erzählt Helga Schubert, was ihre Intention beim Schreiben von "Judasfrauen" war. Sie wollte Ende der 80er, noch vor dem Fall der Mauer, den SEDlern und Inoffiziellen Mitarbeiterinnen aufzeigen, dass es auch ein Leben nach der Diktatur geben wird und die Täterinnen irgendwann Rechenschaft ablegen müssen. Es war damals noch nicht absehbar, dass die Mauer Ende 1989 fallen und es 1990 dann zur Wiedervereinigung kommen würde.
Helga Schubert musste mehrere Anträge stellen, um überhaupt Zugang zum Archiv mit den Gerichtsakten über die Prozesse der "Judasfrauen" zu bekommen. Als sie sich dann dort nach einigen Besuchen gegenüber einer Wissenschaftlerin halb kritisch über den Sozialismus äußert, ist es auch schon wieder vorbei mit der Erlaubnis, das Archiv zu besuchen. Sie bekommt dann aber eine Ausreisegenehmigung, sodass sie für ein paar Tage nach West-Berlin reisen darf, um dort ihre Recherche fortzusetzen.
Das Buch "Judasfrauen" funktioniert für mich aber nicht als Appell an die Machtelite. Denn im Endeffekt sind es "die kleinen Leute" und Mitläufer*innen, denen sich Schubert in ihrem Buch widmet. Es handelt von Frauen, die während des Nationalsozialismus ohne Not andere denunziert haben. Dies hatte meistens tödliche folgen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie dann von den Alliierten oder durch deutsche Gerichte (sowohl in BRD als auch DDR) verurteilt. Auch das ist grundsätzlich spannend, denn wie sollte sich auch eine Diktatur auch anders halten, als durch die Unterstützung in der "normalen" Bevölkerung. Jedoch führt es meiner Meinung nach zum Ziel, das Schubert erreichen wollte.
Will man das Buch stattedessen als quasi "True Crime"-Werk anshen, ist es nicht sachlich genug. Mehrmals nimmt Helga Schubert die Ich-Perspektive einer Täterin ein. Dabei wird nicht klar, wieviel davon tatsächlich aus den Gerichtsakten konstruiert werden konnte und wieviel reine Spekulation der Autorin ist. Auch bei den anderen Kapiteln spekuliert sie oft darüber, was wohl die Motivation der Denunziantinnen gewesen sein könnte. Meistens kommt sie zu dem Schluss, dass das Motiv Eifersucht oder irgendeine andere "weibliche" Emotion war. Das finde ich nicht nur in gewisser Weise sexistisch, weil den Frauen Rationalität und Kaltblütigkeit abgesprochen wird, sondern auch gefährlich. "Die wollten ja alle eigentlich nichts Böses. Die wussten ja nicht, was sie tun. Die waren doch auch nur Opfer des Systems." Das überschreitet für mich sogar die Grenze der Täter-Opfer-Umkehr. Nichts stößt mir saurer auf, als wenn deutsche Täterinnen zu Opfern gemacht werden. Das finde ich schon schlimm, wenn es um die "normale" Bevölkerung mit ihren ganzen Mitläuferinnen geht. Aber hier ist doch völlig klar, dass das Frauen waren, die genau wussten, was sie taten. Denen war klar, dass die Verratenen hingerichtet werden würden. Wenn sie überlebten, war es ein glücklicher Zufall. Wieso spekuliert Helga Schubert darüber, wie man diese Frauen verteidigen könnte? Es geht hier immer um Frauen, die freiwillig zu Denunziantinnen wurden. Es gab nur ein Beispiel, bei dem die Frau aus Angst vor den Gewaltausbrüchen ihres Mannes diesen verraten hat. Bei den anderen Fällen handelten die Frauen ohne jede Not!
Dann gab es auch noch ein paar Kleinigkeiten, an denen ich mich gerieben habe. Einmal wird beispielsweise ein Mann verraten, der im Zug betrunken erzählt, dass der Krieg aus Sicht der Deutschen verloren sei und er als Kommunist sich darauf freue, wenn die Russen kämen. Seine Ehefrau sitzt daneben und versucht nicht, ihn zu bremsen. Verraten wird er dann von einer Frau, die alles nur aus zweiter Hand erfahren hat. Doch wen macht Schubert zur Schuldigen? Diejenige, die alles der Blockfrau erzählt? Der Blockfrau, die den Mann bei den Behörden denunziert? Nein. Im letzten Satz dieses Kapitels macht Helga Schubert die Ehefrau zur Schuldigen, weil sie ihren Mann nicht gestoppt hat. Bitte was? Sie sucht da echt für jede Nationalsozialisten eine Ausrede, aber die Ehefrau wird zur Hauptschuldigen gemacht?! Da kam für mich irgendwie wieder dieser misogyne Unterton raus.
Das Buch funktioniert für mich also weder als Mahnwerk, noch als Dokument/Aufarbeitung dieser Fälle. Von mir leider keine Empfehlung.