Wie viele andere Schriften Carl Schmitts, hat man es auch in diesem Falle mit einer heterodoxen Lektüre zu tun:
Das erste Kapitel befaßt sich mit »den maßgebenden Identitätsvorstellungen«, d.h. den regulativen Idealen »des demokratischen Denkens«, und macht es deutlich, daß der Abstand zwischen dem Ideale und der praktischen Umsetzung desselben manchmal viel zu groß wird, denn Demokratie beruht im Grunde auf einer unauflösbaren Antinomie:
»Unter den drei Staatsformen ist die der Demokratie im eigentlichen Verstand des Worts nothwendig ein Despotism, weil sie eine exekutive Gewalt gründet, da alle über und allenfalls auch wider Einen (der also nicht mit einstimmt), mithin Alle, die doch nicht Alle sind, beschließen; welches ein Widerspruch des allgemeinen Willens mit sich selbst und mit der Freiheit ist.« (Kant, I., AA 8:352)
Wie kann man ungeachtet dieser Antinomie von »Alle{n}, die doch nicht Alle sind« einen Universalkonsens herstellen? Eine solche Leistung erfordert eine Art von intellektueller Akrobatik, …
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Wie viele andere Schriften Carl Schmitts, hat man es auch in diesem Falle mit einer heterodoxen Lektüre zu tun:
Das erste Kapitel befaßt sich mit »den maßgebenden Identitätsvorstellungen«, d.h. den regulativen Idealen »des demokratischen Denkens«, und macht es deutlich, daß der Abstand zwischen dem Ideale und der praktischen Umsetzung desselben manchmal viel zu groß wird, denn Demokratie beruht im Grunde auf einer unauflösbaren Antinomie:
»Unter den drei Staatsformen ist die der Demokratie im eigentlichen Verstand des Worts nothwendig ein Despotism, weil sie eine exekutive Gewalt gründet, da alle über und allenfalls auch wider Einen (der also nicht mit einstimmt), mithin Alle, die doch nicht Alle sind, beschließen; welches ein Widerspruch des allgemeinen Willens mit sich selbst und mit der Freiheit ist.« (Kant, I., AA 8:352)
Wie kann man ungeachtet dieser Antinomie von »Alle{n}, die doch nicht Alle sind« einen Universalkonsens herstellen? Eine solche Leistung erfordert eine Art von intellektueller Akrobatik, die nicht jeden überzeugen wird, z.B. die Behauptung »daß der Wille der überstimmten Minderheit in Wahrheit mit dem Willen der Mehrheit identisch ist«, d.h. die überstimmte Minderheit hat sich nur bezüglich des »Inhalt{s} des Generalwillens geirrt«. Letztendlich kann man anhand dieser »Jakobinerlogik {sogar} die Herrschaft der Minderheit über die Mehrheit rechtfertigen und zwar gerade unter Berufung auf die Demokratie.«
Im nachfolgenden Kapitel werden die Defizite des parlamentarischen Systems hervorgehoben: (i) In der Triade von (a) dem Volke, (b) den gewählten Mitgliedern des Parlaments und (c) der Regierung besteht ein strukturelles Mißverhältnis, da (b) jederzeit die theoretische Möglichkeit zusteht (c) absetzen zu können, während (a) von diesem Prozesse ausgeschlossen ist, entsprechend der Feststellung Rousseaus, daß das Volk nur während der Wahl frei sei, wonach die Souveränität des Volkes dem Parlamente preisgegeben werde. (ii) Der Gleichgewichtsgedanke, der für die Gewaltenteilung als konstitutiv-real behauptet wird, ist eher als eine Theodizee, die von einer providentiellen Aufhebung aller Privationen und Kontradiktionen ausgeht, zu verstehen. (iii) Das parlamentarische System ist vergleichbar mit einem Marktplatz des unaufhörlichen Wettbewerbs, der zum Fortbestehen des Gleichgewichts einen wesentlichen Beitrag leisten soll, aber genau dieses Streben nach Balance und die damit verbundene »Ablehnung des Gedankens, daß die Fülle der Staatsgewalt sich an einem Punkte sammeln dürfe, {konstituiert} in der Tat einen {eklatanten} Gegensatz zu der demokratischen Identitätsvorstellung.«
Genau die Konzentration »der Staatsgewalt an einem Punkte« ist Gegenstand des dritten Kapitels: in einem marxistischen Kontext werden die Interessen des Proletariats mit dem Generalwillen schlechthin gleichgesetzt; der Wille des Volkes kommt diktatorisch zur Geltung, wodurch die Kompatibilität von Demokratie und Diktatur manifest wird. Der orthodoxe Marxismus lehnt im Namen der Demokratie den Parlamentarismus ab; der Parlamentarismus stellt eine Scheindemokratie, die nichts mit einem authentischen Volkswillen zu tun hat, dar: »was in den Staaten westeuropäischer Kultur heute an Demokratie herrscht, ist für sie nur ein Betrug der ökonomischen Herrschaft des Kapitals über Presse und Parteien, d.h. der Betrug eines falsch gebildeten Volkswillens«.
Im allerletzten Kapitel beschäftigt sich der Autor mit »irrationalistische{n} Theorien unmittelbarer Gewaltanwendung«; Schlüsselworte in dieser Hinsicht sind Mythus, Dezisionismus und Vitalismus: »Kriegerische, revolutionäre Begeisterung und die Erwartung ungeheurer Katastrophen gehören zur Intensität des Lebens und bewegen die Geschichte. Aber der Schwung muß aus den Massen selbst kommen; Ideologen und Intellektuelle können ihn nicht erfinden. {…} Jede rationalistische Deutung würde die Unmittelbarkeit des Lebens fälschen.« Auch Demokratien, die sich an den angelsächsischen Tradition des Liberalismus festhalten, instrumentalisieren Mythen der Freiheit, heroische Selbstaufopferung, und Gleichberechtigung zwecks sozialer Kohäsion, obwohl diese Mythen aus einer Zeit stammen als ein polemischer Liberalismus der obsoleten feudalen Ordnung gegenüberstand. Unter bestimmten Umständen könnten diese veralteten Mythen von den modernen Demokratien wiederbelebt werden.
Carl Schmitt stellt korrekt fest, »daß die eigentliche {politische} Tätigkeit« in einer liberalen Demokratie »nicht in den öffentlichen Verhandlungen des Plenums, sondern in Ausschüssen und nicht einmal notwendig in parlamentarischen Ausschüssen sich abspielt und wesentliche Entscheidungen in geheimen Sitzungen der Fraktionsführer oder gar in außerparlamentarischen Kommitees fallen, sodaß eine Verschiebung und Aufhebung jeder Verantwortlichkeit eintritt und auf diese Weise das ganze parlamentarische System schließlich nur eine schlechte Fassade vor der Herrschaft von Parteien und wirtschaftlichen Interessenten ist.«
Dieses Werk stellt einen vernichtenden Angriff auf den Parlamentarismus dar und ist somit als eine subversive Leistung par excellence einzustufen.
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