LemmiSchmoeker reviewed Radio Nights by Tom Liehr
Eine Berg- und Talfahrt voller unerwarteter Richtungswechsel
5 stars
Es ist spannend, das erste Buch nach dem zweiten bis fünften zu lesen. Mit dem Abstand des erfahrenen Lesers betrachtet, macht der Schreibstil einen ganz anderen Eindruck, als es beim Lesen in richtiger Reihenfolge der Fall gewesen wäre. Die große Lässigkeit aller Figuren, die sich in den schnodderigen Beschreibungen widerspiegelt, ist hier noch hart erkämpft: Die kurzen Sätze mit jugendlich frischer Wortwahl sind eine erkennbar bewusste Stilentscheidung. Als Vergleich kommen am ehesten die Dialoge von Walter Moers in den Sinn.
Die Strukturierung ist gewohnt sorgfältig und durchaus mutig. Zwar wird der Abstieg des Protagonisten aufgefangen und wandelt sich in ein Erkennen des eigentlichen Aufstiegs um – aber das letzte Drittel dieses Weges ist von einer Berg- und Talfahrt voller unerwarteter Richtungswechsel geprägt. Das könnte ins Auge gehen und ziellos wirken, hier funktioniert es aber wunderbar. Lediglich ein paar der Interaktionen mit anderen Figuren wirken auf diesem letzten Abschnitt irritierend. Hier …
Es ist spannend, das erste Buch nach dem zweiten bis fünften zu lesen. Mit dem Abstand des erfahrenen Lesers betrachtet, macht der Schreibstil einen ganz anderen Eindruck, als es beim Lesen in richtiger Reihenfolge der Fall gewesen wäre. Die große Lässigkeit aller Figuren, die sich in den schnodderigen Beschreibungen widerspiegelt, ist hier noch hart erkämpft: Die kurzen Sätze mit jugendlich frischer Wortwahl sind eine erkennbar bewusste Stilentscheidung. Als Vergleich kommen am ehesten die Dialoge von Walter Moers in den Sinn.
Die Strukturierung ist gewohnt sorgfältig und durchaus mutig. Zwar wird der Abstieg des Protagonisten aufgefangen und wandelt sich in ein Erkennen des eigentlichen Aufstiegs um – aber das letzte Drittel dieses Weges ist von einer Berg- und Talfahrt voller unerwarteter Richtungswechsel geprägt. Das könnte ins Auge gehen und ziellos wirken, hier funktioniert es aber wunderbar. Lediglich ein paar der Interaktionen mit anderen Figuren wirken auf diesem letzten Abschnitt irritierend. Hier scheint es manchmal so, als würde Tom Liehr eine Vertrautheit mit den Charakteren und ihren Ansichten voraussetzen, die er einfach noch nicht erzeugt hat.
Letztlich hat man es es mit einem gekonnten Erstling zu tun, der im Vergleich zu späteren Romanen noch ein wenig roh ist, aber dadurch auch eine ganz eigene Energie aufbaut. Was vielleicht durch reifere Formulierungen und erfahrenere Charakterisierungen zu erreichen gewesen wäre, entsteht stattdessen durch ein Erzählt-wollen-Werden der Geschichte, das dem Leser schlichtweg verbietet, sie nicht zu lesen. So bleibt dann eben nur, sie sehr zu mögen.