Gute Prämisse aber zu normativ :/
2 stars
Content warning Spoiler und nicht konsensuelle sexuelle Handlungen, Drogen, Sex
Bei ca. 60% abgebrochen.
Das Buch hatte einiges Tolles: Dicke, Bisexuelle in der Hauptrolle, die mit Mitte 30 herausfindet, was sie eigentlich mag und möchte. Fand das teilweise sehr angenehm, ihre Überlegungen zu begleiten. Und natürlich gibt es viel zu wenige dicke Protagonistinnen, daher fand ich das richtig gut, dass es sich hier eine mal richtig gut gehen lässt - und dass sie begehrt wird. Auch, dass in dem Buch nur wenig „Trauma porn“ vorkam, also Noni selten ob ihres Gewichts diskriminiert wurde. Leider war es das schon mit den positiven Aspekten.
Ich habe das Gefühl, dass es gerade ein neues Genre an „bisexuellen“ Hörbücher gibt, die 99% genau so sind wie minimal feministisch angehauchte „Cis Hetera sucht und findet Prince Charming“ Bücher. Einziger Unterschied: Die Protagonistin hatte mal was mit einer Frau oder kommentiert hier und dort mal eine lüstern, aber der Großteil ihres Strebens und aller richtig guter perfekter Sex und ihr Seelenverwandter: cis Prinz Charming. Und naja, hier ist es auch so. Ja, Nona‘s Ex ist eine Frau, sie fängt die ganze Reise nach Europa an um eine Frau wieder zu sehen und hat auch ein Mal Sex mit einer Fremden… aber das war es. Ansonsten hat sie nur 100 Abenteuer mit Typen und Frauen kommen nur noch mal als „oh ich dachte du wärst vllt lesbisch, deshalb habe ich dich nicht gleich angegraben“ vor. Also irgendwie ist das Bi-Sein unterm Strich mehr ein Story Vehicle und macht die Protagonistin facettenreicher in einer an sich sehr üblichen Storyline, die auch den üblichen Cisexismus nicht auslässt. So muss Nona bspw. hoch peinlich berührt ihrem ~40jährigen Wikinger-Prinzen (criiiiiinge) erklären, was eine Menstruationstasse. Seriously? Da ist es nicht verwunderlich, dass in der ganzen Geschichte auch keine trans/inter Charaktere vorkommen. Das alles hinterließ bei mir beim Hören ein einen sehr schalen Beigeschmack, einfach weil das jetzt schon zum wiederholten Male so lief. Köööööönnte jetzt Selection Bias sein, weil ich nur höre was die Bibliothek hergibt, aber ich fürchte, da steckt mehr dahinter. Könnte gar eine Weiterentwicklung von Queerbaiting sein :/.
Weitere uncoole Aspekte: Nona macht zig negative sexuelle Erfahrungen auf ihrem Weg zum Entdecken ihrer Bedürfnisse. Grundsätzlich fand ich die ganzen Sexszenen im Buch anstrengend bis peinlich statt anregend. Im Fall der schlechten Stelldicheins, bei denen die Dudes nur auf ihre eigenen Bedürfnisse achteten, ließ Nona alles über sich ergehen, anstatt zu protestieren oder abzubrechen. Konsens ist anders. Klar, das kann ein Mittel sein um zu zeigen, wie sie sich weiter entwickelt oder halt auch eine Beschreibung davon, wie Menschen in so Situationen mental auschecken… aber ich hätte echt gerne drauf verzichtet.
Übrigens ist das ein Trope, das ich hasssssse: Wenn Leute (auch wenn es in dem Fall sehr uncoole Typen sind) „ungewöhnliche“ Vorlieben oder Bedürfnisse haben, dann sind sie immer irgendwie falsch. Denn die Protagonistin will letztlich immer mehr oder minder Vanilla Sex (plus einen Hauch Machtspielchen hier und da um dem ganzen Würze zu verleihen aber immer im heterosexuell-verträglichen und cis-freundlichen Rahmen). Ihr Prinz Charming ist dann auch nicht einfach besser weil er halt Konsens kann und sie fragt, ob sie beispielsweise Bock hätte, ihn zu penetrieren, nee, der steht auch auf Vanillasex (und weil es ein feministisches Buch ist findet er Cunnilingus auch grandios und hat da viel bessere Techniken als all die schlechten One-Night-Stands….). Das ist so traurig und normativ :/. Das Main-Couple erkennt man einfach daran, dass sie ihre Erfüllung in PiV-Sex und Cunnilingus finden.
Ach und dass es schon wieder so eine Story ist in der die Protagonistin (obwohl sie eigentlich total gewöhnlich und gar nicht reicht ist, jawohl) tolle Abenteuer erlebt und sich selbst finden kann weil sie aus einem random Grund enorm viel Geld bekommen hat: Gäääähn. Zeigt mir solche Selbsterfahrungen mal bitte bei einer an der Armutsgrenze lebenden Arbeiterin. Wo ich gerade bei frommen Wünschen bin: Ein Mal, nur ein Mal ein queeres Buch, in dem die Leute keinen Alk/Drogen nutzen um locker zu werden und zu flirten. Gefühlt die Hälfte des Buchs ist Nona dicht: feiert sich in Bars, hat total lustige Gespräche mit anderen Reisenden 🙄 oder säuft und kifft im Verbindungen mit anderen herzustellen. 0815-Tropes aber nervig und faul.