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»Fahre und bremse die ersten Meter vorsichtig, Jasper«, warnte mich mein Vater, »die Bremswirkung der gefetteten Bremse wird gleich null sein.« »Ja, ja, Papa.« Ich strampelte die Anhöhe neben dem Freibad hinauf, denn ich wollte meiner kleinen Welt beweisen, dass die Bremse perfekt funktionierte und jetzt leise war. Auf der Kuppe der Anhöhe legte ich den schwersten Gang der Dreigangschaltung ein. Der Schalthebel zwischen Lenker und Sattel hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Hebel der Schaltung in unserem Ford Consul. Bergab trat ich wie besessen in die Pedalen, um so richtig in Fahrt zu kommen. Der Saum meiner Schlaghose klatschte an das Kettenschutzblech und auf der anderen Seite an den Rahmen des Rades. Mein schulterlanges blondes Haar, das bunte Batik-Shirt, die Fähnchen am Lenker und der Fuchsschwanz an der Sattelstange flatterten im Wind. Die Eltern und die vier Geschwister staunten, als ich auf sie zukam. Eigentlich wollte ich direkt bei ihnen zum Stehen kommen und zog den Bremshebel der Hinterradbremse vorsichtig an, sodass das Rad nicht blockierte. Kurz vor meiner Familie zog ich auch den Hebel der Vorderradbremse und sah, wie der Bowdenzug den Hebel an der Bremse hochzog, doch die Bremse bremste nicht. Meine Familie sah, wie ich mit einem Affenzahn auf sie zuschoss und wie sich das Grinsen meines siegessicheren Gesichtes in Sekunden in eine entsetzte Grimasse verwandelte. Meine Geschwindigkeit verlangsamte sich kaum. Ich raste auf die Kreuzung zur stark befahrenen Landstraße zu, drückte mit aller Kraft die Hinterradbremse, sodass das Rad blockierte, laut pfiff und eine Bremsspur auf dem Asphalt hinterließ. Alles am Rad flatterte wild im Wind und ich musste alle Kraft aufwenden, um das Gleichgewicht zu halten und um den Lenker zu kontrollieren, denn bei schneller Fahrt schlug er gerne nach rechts oder links aus. Nun versuchte ich mit den Sandalen zu bremsen. Nur noch wenige Meter bis zu meiner entsetzten Mutter, den grinsenden Geschwistern und meinem rauchenden Vater. Ich blickte in ihre großen Augen, sah schon meinen unausweichlichen Sturz kommen und rauschte verzweifelt an ihnen vorbei.

— Bonanzarad und Schlaghosen by Konstantin von Weberg (Page 11)

WAFFELBRUCH »Wie alt bist Du denn?«, fragte die Verkäuferin des Keksgeschäftes neugierig, als ich ihr die dreißig Pfennige in die Schale für das Geld legte. Ich nannte den Laden ›Keksgeschäft‹, weil es dort unheimlich viele Sorten von Keksen gab, aber auch feinste Pralinen und Schokoladen, leckeren Kuchen und alle erdenklichen Süßigkeiten. Der Duft des Ladens war atemberaubend, wenn ich ihn betrat. »Zehn.« »Du bist doch einer von den Bergers, oben am Schwimmbad?« Woher sie das nur wusste? »Bist du der Erste, der Zweite oder der Dritte?« Alle Leute wollten ständig wissen, in welcher Position ich in unserer Familie zur Welt kam. Warum auch immer, das interessierte sie. Was sollte ich darauf antworten? Meine Schwester und mein älterer Bruder waren Zwillinge. Also am gleichen Tag geboren. »Ich bin der Zweite und der Dritte zugleich.« Die junge Kassiererin lachte amüsiert und schaute mich freundlich an. Sie trug eine perfekt sitzende Kittelschürze mit weißen Spitzen. »Wie denn das?« »Weil, mein Bruder und meine Schwester sind zweieiige Zwillinge und deshalb am selben Tag geboren worden.« Nun lachte auch der Filialleiter, der wohl von der guten Stimmung seiner Mitarbeiterin angelockt, hinzukam. Er rückte die Nickelbrille zurecht und strich sich den weißen Kittel glatt.

— Bonanzarad und Schlaghosen by Konstantin von Weberg (Page 22)

WAFFELBRUCH »Wie alt bist Du denn?«, fragte die Verkäuferin des Keksgeschäftes neugierig, als ich ihr die dreißig Pfennige in die Schale für das Geld legte. Ich nannte den Laden ›Keksgeschäft‹, weil es dort unheimlich viele Sorten von Keksen gab, aber auch feinste Pralinen und Schokoladen, leckeren Kuchen und alle erdenklichen Süßigkeiten. Der Duft des Ladens war atemberaubend, wenn ich ihn betrat. »Zehn.« »Du bist doch einer von den Bergers, oben am Schwimmbad?« Woher sie das nur wusste? »Bist du der Erste, der Zweite oder der Dritte?« Alle Leute wollten ständig wissen, in welcher Position ich in unserer Familie zur Welt kam. Warum auch immer, das interessierte sie. Was sollte ich darauf antworten? Meine Schwester und mein älterer Bruder waren Zwillinge. Also am gleichen Tag geboren. »Ich bin der Zweite und der Dritte zugleich.« Die junge Kassiererin lachte amüsiert und schaute mich freundlich an. Sie trug eine perfekt sitzende Kittelschürze mit weißen Spitzen. »Wie denn das?« »Weil, mein Bruder und meine Schwester sind zweieiige Zwillinge und deshalb am selben Tag geboren worden.« Nun lachte auch der Filialleiter, der wohl von der guten Stimmung seiner Mitarbeiterin angelockt, hinzukam. Er rückte die Nickelbrille zurecht und strich sich den weißen Kittel glatt.

— Bonanzarad und Schlaghosen by Konstantin von Weberg (Page 22)