"Zitronen" von Valerie Fritsch wurde zum Innsbruck-liest-Buch 2025 gewählt - und auch der Kater und ich bekamen über diese Aktion (für die man der Kulturpolitik der Stadt Innsbruck übrigens nur das allergrößte Lob aussprechen kann - verdammt tolle Aktion, die wir seit vielen Jahren verfolgen!) die Gelegenheit, ein Exemplar zu ergattern.
"Zitronen" ist aber auch eines der Bücher, mit denen der Kater und ich nur zur Hälfte unsere Freude haben.
Es geht darin um einen Jungen namens August Drach, der in einem kleinen Bergdorf aufwächst; der vom Vater zuerst geschlagen, dann verlassen wird; der von seiner Mutter mit Tabletten künstlich krank gehalten wird, damit sie sich die Anerkennung als aufopferungsvolle Mutter von der ganzen Welt abholen kann ("Münchhausen-Syndrom"); der schließlich mit viel Glück all dem entkommt, aber nicht glücklich wird; der sodann aufgrund seiner Kindheit als Erwachsener zum Lügner und eifersüchtigen Gewalttäter wird.
Laut Klappentext hat die Autorin viele Jahre recherchiert, viele Stipendien und Preise abgeräumt, und es ist - wenn der Kater sich nicht verzählt hat - erst ihr 3. Roman, aber bereits seit Roman Nr. 2 veröffentlicht man bei Suhrkamp.
Und ja, man merkt's - hier ist alles penibel ausgearbeitet, bis ins kleinste Detail konstruiert, und wenn man sich auf den Roman mit einem sehenden Auge einlässt, dann sieht man die Dinge kommen. Motive wie das verschwundene Mädchen vom Beginn des Buches, das am Ende wieder auftrifft; die Zitronen, die sich als ewige Konstante immer wieder als Vergleich herbeibemühen; die abwechselnde Außensicht auf die Charaktere, immer sauber mit Vor- und Nachname adressiert, aber dann doch nur mit Vorname, wenns mal in die intime Innensicht geht. Und und und.
Handwerklich kann man nur sagen: Hut ab. Sehr sauber konstruiert.
Aber inhaltlich haben der Kater und ich immer so unsere Probleme, wenn Kunst um der Kunst willen ein großes gesellschaftliches Problem (hier ein nicht vernachlässigtes, sondern grausam misshandeltes Kind und was aus ihm wird, während alle wegschauen) ansticht, dafür Preise kriegt, aber eben außer den Finger in die Wunde zu legen nichts beiträgt, um das Problem zu lösen.
Wir alle lesen diesen Roman, wir sind erschüttert, aber wird sich etwas ändern? Vermutlich nicht (fairerweise können wir das nicht der Autorin anlasten, natürlich nicht, das ist eher eine allgemeine frustrierte Beobachtung).
So bleibt nach der Lektüre eben ein sehr bitterer Beigeschmack (was von der Autorin mitunter beabsichtigt sein könnte, schon klar).
Last but not least: Mit dem absolut plötzlichen Ende, das sich in nur 2 Seiten abspielt und dann abbricht, sind wir beide nicht einverstanden. Aber das soll jeder selbst lesen.