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reviewed Lebenskompliz*innen by Nils Pickert

Nils Pickert: Lebenskompliz*innen (Paperback, german language, 2022, BELTZ) 5 stars

Liebe ohne Augenhöhe ist möglich, aber sie hat keine Zukunft. Mit dieser These seziert der …

Freimachung

5 stars

Nils Pickert räumt umfassend mit unserem Konzept von "Liebe" auf und kämmt einmal durch die (pop)kulturellen und religiösen Dogmen, die mit Ehe, Familie und gemeinsamen Lebensentwürfen verworren sind. Er zeigt auf, was abseits von der romantisierten Liebesvorstellung "für immer und ewig" möglich ist, wenn wir es wagen über den Tellerand heruszuschauen und dem sozialen Gegendruck die Stirn bieten. Was bleibt ist ein nüchterner, ehrlicher Blick auf die Liebe als Kameradschaft (oder wie Nils Pickert es nennt: Lebenskomplizenschaft) und die Erlaubnis, sich von den internalisierten Lebensvorstellungen und Einengungen zu befreien und rauszufinden, was man selbst braucht und möchte.

Mir hat sehr gefallen, dass Nils Pickert mich beim Lesen nicht geschont hat. Ich hab mich an Stellen herausgefordert gefühlt, an denen ich es gar nicht erwartet hätte. Die Idee, die ich aus der Lektüre mitnehme: Wenn wir uns aus dem bequemen Sumpf unserer eigenen Sozialisation herausarbeiten, sind wir ungeschützt und verletztlich, da uns die Sicherheit unserer romantisierten Vorstellung von Liebe und Beziehung fehlt. Aber erst diese Freimachung erlaubt es uns, in Beziehungen ehrlich zu uns und anderen zu sein. Nur so verlieren wir nicht den Kontakt zu unseren eigenen Bedürfnissen und können auch langfristig die Zuneigung ausdrücken, die wir für andere spüren.