cochise finished reading Wolf in White Van by John Darnielle
John Darnielle, eigentlich bekannt als Sänger der amerikanischen Band The Mountain Goats, erzählt in seinem Buch "Wolf in White Van" die Geschichte von Sean Phillips. Sean Phillips ist ein junger Mann, der durch einen Schusswaffenunfall als Kind mit einem schwer entstellten Gesicht leben muss und von dem sich die Umwelt abgestoßen fühlt. Gleichzeitig gibt Phillips der Umwelt auch das Gefühl, abstoßend zu sein. Darnielle versucht mit seinem Roman, sich in die Gefühlswelt vorzutasten. Er erzählt aus der Perspektive von Sean, der nach dem Unfall lange Zeit unter großen Schmerzen im Krankenhaus bleiben musste, wo man versuchte, sein Gesicht so gut es ging zu rekonstruieren. Um diese Zeit der Schmerzen zu überstehen, begann Sean, sich eine Fantasiewelt auszudenken, die er nach und nach zu einem Pen & Paper-Rollenspiel ausbaut. Dieses Rollenspiel "Trace Italian" spielt in einem postapokalyptischen Amerika, wo der Spieler versuchen muss, eine Festung namens "Trace Italian" zu erreichen, um gerettet zu werden. Dieses Pen & Paper-Spiel sichert Phillips nicht nur ein kleines Einkommen, sondern ist auch sein Anker in einem gewissermaßen verkorksten Leben. Neben dieser Lebensbeschreibung fokussiert der Roman sich auf einen Punkt, in dem sich die reale und die ausgedachte Welt unglücklich vereinen, denn zwei Teenager, die "Trace Italian" spielten, haben versucht das Spiel ins wahre Leben zu übertragen und sind dabei verunglückt. Sean Phillips wird dafür vor Gericht gestellt und muss sich dabei Lebensfragen stellen, denen er bislang versuchte, auszuweichen. Darnielle erzählt die Geschichte unchronologisch und verwebt sie immer wieder mit Beschreibungen des Spiels "Trace Italian". Somit wird der Leser gezwungen, aus den Erinnerungshäppchen und Spielsnippets den Sinn des Romans selbst herauszufinden. So setzt die Erzählung ein mit einer Erinnerung Seans an seine Zeit als er nach Unfall und Krankenhaus wieder nach Hause kommt, der Erzähler nennt es "Erinnerungsbündel". Aus diesen Erinnerungsbündeln setzt sich das ganze Buch zusammen. An manchen Stellen gehen sie übergangslos in erzählte Spielhandlung über. Dann folgen wieder Briefe von Spielern, die ihre Erfahrungen mit dem Spiel schildern und um den nächsten Zug bitten. Denn das muss auch erwähnt werden, die Handlung spielt vor dem Internet, in den späten achtziger, frühen neunziger Jahren. Dadurch, dass Darnielle den Leser keinerlei Richtung vorgibt, was er mit dem Roman erreichen will, macht er ihm in diesem Roman zum Mitspieler, man muss sich als Leser darauf einlassen, um einen Reiz daraus zu ziehen. Oder, um es in den Worten Seans auszudrücken, als er einen Kirchen-TV-Sender schaut: „Ich hatte beim Zuschauen das Gefühl, als hätte ich entweder etwas nicht mitbekommen oder als hätte man mich grade in ein großes Geheimnis eingeweiht: oder als befände ich mich irgendwo zwischen diesen beiden Möglichkeiten.“.