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Carol Rifka Brunt: Tell The Wolves I'm Home (2012, Dial Press) 4 stars

It is 1987, and only one person has ever truly understood fourteen-year-old June Elbus -- …

Review of "Tell the wolves I'm home" on 'Goodreads'

3 stars

Ich habe sehr gemischte Gefühle über dieses Buch. Spoilerwarnung hier, ich rede auch über das Ende.

Zum einen finde ich es wirklich toll, dass hier ein Teenagermädchen, June, eine enge vertrauensvolle Beziehung zuerst zu ihrem schwulen Onkel Finn hat, dann nach dessen Tod durch AIDS eine ebenso enge Beziehung zu seinem Lover Toby, und Trauer und Tod ein so großes Thema sind im Buch. Später stellt sich heraus, dass June durchaus romantische Gefühle für Finn hegte und umgehen muss mit der Scham und Verlegenheit, die das in ihr hervorruft. Es gibt immer sehr viel Panik um Teenagerliebe für erwachsene Menschen, aber innerhalb der Beziehung Finn-June ist zumindest ein sicherer Rahmen geschaffen, in dem June diese Gefühle empfinden kann, ohne ausgenutzt zu werden. Das ist der Autorin gut gelungen.

Dann zeigt sich June auch mehrmals abgestoßen von Sex oder zumindest stark desinteressiert; Vermutungen kommen auf, ob sie aus Gründen sich in Leute verliebt, die sie ,,nicht haben kann", aber sie wird nicht darauf festgelegt; sie stellt die Frage in den Raum, ob man nicht eng zusammenleben kann ohne Sex zu haben, und das finde ich sehr positiv. Allerdings mit Vorsicht zu genießen: Sex wird nur noch erwähnt, wenn es um Finn und Toby geht und die AIDS-Erkrankung, und die andauernde Verbindung mit ,,Toby ist Finns Mörder"; diese Phrase wiederholt sich sooft, dass ich mir nicht sicher bin, was die Autorin damit eigentlich bezwecken will und ob hier nicht trotz allem schwule Sexualität als per se hypersexuell und krank gezeichnet wird, weil AIDS so alternativlos im Raum steht.

Hauptmotor des Plots sind die zwei Geschwisterbeziehungen, Greta-June und Mutter-Finn. Es werden mehrfach Parallelen aufgemacht, v.a. um Eifersucht und Kontrolle zwischen Geschwistern, und die Abgründe, die sich da aufmachen, finde ich sehr nachvollziehbar. Allerdings auch das Schwere an dem Buch selber: Fast alles im Buch wird durch den Konflikt getragen, dass Greta aus Eifersucht EIN WIRKLICH SCHLECHTER MENSCH IST und so bösartig, dass ich das Buch mehrmals weglegen musste. Gerade weil das Buch sich so sehr darauf verlässt, kippt es für mich dann wieder ins Negative. Zudem kommen viele dieser Konflikte durch Missverständnisse zustande, die geklärt wären, wenn die Personen sich einmal richtig zusammengesetzt hätten; das tun sie dann wirklich erst am Ende, und die Harmonie die daraus folgt, fühlt sich gekünstelt und falsch an, gerade weil sie so leicht zu haben war. Auch: Gretas Verhalten war für mich nicht nachvollziehbar: Sie verliert ihre Schwester June als gute Freundin und statt dass sie das akzeptiert und neue Freund*innen sucht und Beziehungen formt und einfach netter zu ihrer Schwester ist, erpresst sie ihre Schwester wieder in eine Freundschaft hinein, indem sie sich u.a. mehrmals schwer betrunken in einem Laubhaufen im Wald vergräbt. Das wird nicht hinterfragt und beim harmonischen Ende ist die Beziehung wieder gekittet, ohne dass dieses Verhalten kritisiert wurde und Greta davon Abstand genommen hat.

Mir ist auch unklar, welchen Stellenwert AIDS und Homosexualität im Buch haben: alle um Finn akzeptieren sein Schwulsein, aber dass AIDS geächtet wird ist klar; die zwei Sachen passen für mich nicht zusammen. Gerade auch dass die Mutter ihren Bruder so kleinmacht und seinen Partner so hasst, kann ich mir nicht allein damit erklären, dass sie einfach eifersüchtig ist.

Finn stirbt und im Laufe des Buches stellt sich heraus, dass sein Partner auch noch sterben wird; für mich irgendwie unausstehlich, gerade auch weil nach Finns Tod von den ersten AIDS-Medikamenten die Rede ist. Die überlebenden Heldinnen sind die Heteras, die natürlich auch noch das Erbe des schwulen Künstlers Finn bekommen. Auf der einen Seite herzzerreissend gut wie die Einsamkeit, die Schwulsein schon allein, aber auch v.a. die AIDS-Erkrankung mit sich bringt, beschrieben wird; auf der anderen Seite merkwürdig, wie die zwei schwulen Männer trotz Leben in Großstadt und Künstlerbiografie so komplett allein sind und sich nur auf die Nichte aus der Familie verlassen können. Zudem hinterlässt es auch einen leicht creepy Nebengeschmack, dass sich die zwei Männer überhaupt so stark auf ein junges Mädchen verlassen und ihr die Rolle der ,,Krankenschwester" zuschreiben.

Die Charaktere selber sind sehr glaubwürdig und kommen nicht zu kurz, das hätte die Story gerettet, wenn Tobys Tod nicht auch zusammenkäme mit der Harmonie zwischen allen Konfliktpartnern der Story und diese zusätzlich besänftigte. Müssen Schwule sterben, damit Heteros sich endlich versöhnen?