In Berlin Alexanderplatz findet man eine mitreißende Erzählung über die Abgründe toxischer Männlichkeit, geschrieben in einer so expressiven Sprache, wie sie mir in keinem anderen Roman bisher begegnet ist.
Nachdem Franz Biberkopf aus der Justizvollzugsanstalt Tegel entlassen wird, in der er wegen Totschlags seiner ehemaligen Freundin eingesessen hatte, "schwört er sich und der Welt, anständig zu bleiben".
Dass der Mann recht eigentümliche Vorstellungen über die Bedeutung des Wortes "anständig" hat, wird schnell klar. So fällt er seinen Beschluss, anständig zu "bleiben", unmittelbar nach seiner Vergewaltigung der Schwester der von ihm zu Tode geprügelten Freundin. Der Verkauf nationalsozialistischer Hetzblätter fällt für ihn ebenfalls unter die Kategorie anständigen Verhaltens.
Schließlich überfällt Franz eine Serie von Schicksalsschlägen, die ihm das Einhalten des Schwurs selbst nach seinem geringen Maßstab unmöglich machen. Für seine darauf folgenden Verbrechen und Gewalttaten macht er vor allem seine Umwelt verantwortlich. Wenn sein Leben trotz seines Versuchs, anständig zu bleiben, immer mehr entgleist, na dann bleibt er eben nicht anständig. Sein Weg ist geprägt von zwanghaft zur Schau gestälter Stärke, Angeberei und Rückgratlosigkeit.
Und auch wenn es stimmt, dass Franz Biberkopf durch seine Umwelt zu dem geformt wird, der er ist, so spricht ihn das doch nicht von der Verantwortung für sein Handeln frei. Diese Erkenntnis überfällt ihn im Sterbebett, wo der alte Franz Biberkopf dann auch stirbt und das Leben eines neuen Franz Karl beginnt. Der weiß dann, dass es im Leben gemeinsam besser geht als alleine, und dass er nicht immer stark zu sein braucht. Besser ist, wenn er seinen Kopf benutzt.